erf's Blog

 

Erna R. Fanger: Trends, Tipps & Texte   

www.schreibfertig.com

Schreib dich in den Wandel JETZT!

Als wir vor 10 Jahren mit schreibfertig starteten, lag ein Abenteuer vor uns. Nun, an der
Schwelle eines neuen Jahrzehnts für schreibfertig, fühlt sich die vor uns liegende Wegstrecke  nicht weniger abenteuerlich an. Und haben die im Kollektiv hinter uns liegenden Krisen ebenso wie die aktuellen von jedem ihren nicht geringen Tribut gefordert, hat
andererseits wiederum ein Umdenken eingesetzt. Immer mehr machen sich auf  den Weg und sagen sich: Wann, wenn nicht JETZT. Denn gerade in Zeiten des Wandels ist es entscheidend, in unsere Kraft zu kommen, und das, was uns am Herzen liegt, auch zu tun.

 

Im Zuge steigender Beliebtheit der 14-tägigen Offenen Schreibgruppe am Mittwoch via Skype zu wechselnden Themen (angekündigt jeweils unter der Seite „Aktuell“ unserer Website) haben wir unser Angebot um eine Dienstagsgruppe (im Aufbau) erweitert.

 

 Neu: Auf Anfrage haben wir jetzt auch jeden letzten Samstag des Monats eine Offene Schreibgruppe via Skype ins Leben gerufen.

 

Beginn: 25. März 2023
Zeit: 11-13 Uhr,
Kosten: 25 € regulär

Erna R. Fanger & Hartmut Fanger (Hg).                                 "Last Storys aus dem Frühstücksraum":

Die Offene Schreibgruppe Hamburg von schreibfertig.com, der Kleinen feinen Schreibschule für Jung & Alt, besteht nun  seit sechs Jahren. Der Titel schuldet sich dem Wandel im Zuge von Corona, der auch den Frühstücksraum der Pension Sonntag betrifft. Unser Blog zur Pandemie im Anhang dokumentiert unmittelbar die Situation des Lockdowns. Dies schmälert jedoch nicht die Lust am Fabulieren und Erzählen. Begleiten Sie uns daher auf literarischen „Ortsbegehungen“, haben Sie teil an ungewöhnlichen „Begegnungen“ oder frönen Sie zusammen mit unseren Autor*innen der „Gunst der Stunde“ ...

 Ab sofort im Buchhandel erhältlich

Erna R. Fanger & Hartmut Fanger (Hg). "Geschichten aus dem Frühstücksraum":

Kreatives Schreiben
Literarisches Schreiben

Seit knapp vier Jahren besteht die Offene Schreibgruppe im Rahmen von schreibfertig.com, der kleinenfeinen Schreibschule für Jung & und Alt in der Pension Sonntag, Hamburg.

 

Mit diesem Band werden nun erste literarische Ergebnisse präsentiert-spannend, heiter, traurig und vor allem unterhaltsam. 

 

Lassen Sie sich in „Magische Welten“ entführen, nehmen Sie an „Spielarten der Liebe“ teil, erfahren Sie von„Katastrophen und anderen Kleinigkeiten“ und viel, viel mehr.  

 Ab sofort im Buchhandel erhältlich

Aktuell: Erna R. Fanger & Hartmut Fanger (Hg). "Geschichten aus dem Frühstücksraum":

Aktuell: Lesung am 20.10.2018 in der Fabrik der Künste Hamburg zur Ausstellung "Der Letzte macht das Licht aus - Es werde Licht! Die Offene Schreibgruppe schreibfertig.com präsentiert ihre Texte:

Kreatives Schreiben in der Fernschule

INTERVIEW: DAS EICHSFELD MAGAZIN Die Verlegern des Undine-Verlages Astrid Seehaus im Gespräch mit Dr. Erna R. Fanger in "Das Eichsfeld liest" Herbst Winter 2018::

Dr. Erna R. Fanger ist zusammen mit ihrem Mann Betreiberin der Fernschule „schreibfertig“ und lehrt das kreativ-literarische Schreiben. Neben formal-handwerklichen Aspekten ist ihr das Coaching eine Herzensangelegenheit.Sie meint, eigenes Talent und damit auch die Begeisterung fürs Schreiben sollte wichtig genommen werden. Ich freue mich, dass Frau Dr. Fanger, die mit ihrer Familie in Hamburg

lebt, neben ihren vielen Schreibgruppen und Projekten rund ums Buch Zeit für dieses Interview gefunden hat.

 

 

Astrid Seehaus: Was macht Fernkurse so beliebt?

Dr. Erna R. Fanger: Ihre Ortsunabhängigkeit und die Möglichkeit der freien Zeiteinteilung. Und für uns wiederum von Vorteil ist, dass wir keine Unterrichtsräume anmieten müssen. Alles geht per Internet und von Zuhause aus. 

Seehaus: Welche Altersgruppe interessiert sich für Fernkurs? Und was möchte diese lernen?

Fanger:Wir bieten Kurse für alle Altersgruppen an, aber es sind eher die Älteren, die unsere Angebote wahrnehmen. Manche möchten sich stilistisch verbessern, andere ein Buch schreiben. Etliche streben eine journalistische Ausbildung an. Für alle unsere Kurse gibt es bei entsprechenden Voraussetzungen eine finanzielle Unterstützung in Form einer Bildungsprämie vom Staat.

Seehaus: Sie wenden sich auch an die jungen Schreiber. Provokante Frage: Hat das überhaupt Sinn, wenn die Kids doch alle in Kürzeln schreiben?

Fanger: Meine Erfahrung mit Jugendlichen ist eine andere. Vom LI Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg, BBB Beratungsstelle Begabungen initiiert gebe ich Schreibkurse für Kinder und Jugendliche. Deren Begeisterung ist so groß, dass das Smartphone keine Rolle spielt. Auffallend ist, dass in den texten nicht selten Hektik, Hetze und Stress beklagt werden, unser Fernkurs-Angebot für Jugendliche wird angesichts der schulischen Anforderungen allerdings kaum wahrgenommen.

Seehaus: Was würden Sie einer erfahrenen Autorin raten?

Fanger: Sich von Zeit zu Zeit mal auszuklinken, in sich zu gehen, sich selbst zu befragen, wohin es mit dem Schreiben gehen soll.

Seehaus: Wie kann ein selbstverliebter Selfpublisher eigene Fehler erkennen? 

Fanger: Zum einen ist ein professionelles Lektorat sinnvoll, wo stilistische Unebenheiten aufs Korn genommen werden. Zum anderen sind es kritische Testleser im Umfeld. Diese beiden Komponenten sind meines Erachtens der wirksamste Schutz gegen narzisstische Anwandlungen, nicht nur von Selfpublishern. 

Seehaus: Und wie schafft man es, wenn man es mit uneinsichtigen Schülern zu tun hat?

Fanger: Kommt so gut wie nicht vor. Unsere Schüler wollen ja dazulernen.

Seehaus: Wortwahl oder Schreibstil? Brauchen wir die Schriftsprache?

Fanger: Ja, unbedingt. Schreiben ist eine Kulturtechnik, die wir nicht leichtfertig über Bord werfen sollten, darüber hinaus ein profundes Ausdrucksmittel, frei nach dem Motto: Du bist wie du sprichst. Die Sprache macht den Menschen. Da steckt „Macht“ drin. Und wer sprachlich fit ist, sich ausdrücken kann, verfügt über eine gewisse Macht, im Gegensatz zu demjenigen, dem das nicht zu eigen ist. Nicht umsonst heißt es in der Bibel „Im Anfang war das Wort“. Und das nicht nur zum Segen. Der Ursprung der Sprache ist zugleich Ursprung der Ursprung von Streit und Krieg. Und was Shit-Storms im Internet angeht: Mich schaudert’s.   

Seehaus:Was sagen Sie zum Hin- und Her der neuen deutschen Rechtschreibregelung?

Fanger:Fatal! Leid tun mir die Kinder, die in dieses Chaos hineingewachsen sind. Sprache unterliegt wie alles der Veränderung, das ist keine Frage. Aber mit einer Rechtschreibreform über die ihr immanenten Entwicklungsprozesse hinwegzugehen, halte ich schlichtweg für falsch. 

Seehaus:Letzte Frage: Lesen sie viel? Und wie finden Sie das Lektorat/Korrektorat in den neuen Büchern? 

Fanger:Lesen gehört unabdingbar zum Schreiben, dementsprechend eine meiner Hauptbeschäftigungen. Hut ab, wenn ein Buch fehlerfrei ist. Ich habe höchsten Respekt vor dem Korrektorat. Die Schwierigkeit dabei ist, dass Sie gegen Ihre eigene Fertigkeit anlesen müssen, dass das Auge Fehler in Sekundenschnelle sieht und der Kopf sie korrigiert, aber dann vergessen Sie leider, diese Fehler auch im Text zu verbessern. Von Verlagen weiß man: Keine Erstauflage ohne Fehler. Mein Eindruck ist aber, dass es in den 90ern und Anfang des neuen Jahrtausends schon mal schlechter war. Man hat aus der Kritik am mangelnden oder unzulänglichen Lektorat gelernt. Derzeit arbeiten wir mit etlichen renommierten Verlagen zusammen, die uns ihre Rezensionsexemplare  für die Buchtipps auf der Startseite unseres Internetportals zur Verfügung stellen. Und da ist die ordnende Hand des Lektorats durchaus spürbar. Mein Eindruck ist, dass die Verlage sehr bemüht sind, dem „guten Buch“ gerecht zu werden.

Seehaus: Liebe Frau Dr. Fanger, vielen Dank für die Zeit, die Sie sich für das Interview genommen haben.

 

Fanger: Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an unserer Arbeit. 

 

Erna Fanger
Schreibschule

 

Schreibschule 

Seit 10 Jahren www.schreibfertig.com

Seit über 25 Jahren erfolgreiche Dozenten und Lektoren

Claudia Nachtwey über Erna R. Fanger in "Das Eichsfeld Magazin": "Das Eichsfeld liest", No 4, Herbst & Winter 2018,    www.undine-verlag.de:

 

Claudia Nachtwey ist freie Journalistin, Buchautorin und Illustratorin. Sie arbeitet für regionale Zeitungen und Verlage. Für ihre 7-teilige Reportage zum Thema „25 Jahre Mauerfall“ wurde sie 2015 mit einem Preis der Alexanderstiftung ausgezeichnet. Funk und Fernsehen wurden nach Erscheinen ihrer Kurzgeschichte „Der Grenzgänger“ in der Anthologie „Mörderisches Buffet, Undine Verlag“ 2016, auf sie aufmerksam.

 

2008 habe ich ein Fernstudium „Creative Writing“ angefangen. Frau Dr. Fanger war meine Dozentin im ersten Jahr (Grundkurs), uns ebenso im dritten Jahr zu Themen der Sach- und Fachliteratur, wozu auch alle journalistischen Darstellungsformen gehören. Ich habe ihre motivierende und dennoch sehr detaillierte Art der Korrekturen und Ratschläge sehr schätzen gelernt. 

 

Im ersten Jahr ging es um die Basis, um Wortlehre und Stil, Genauigkeit, Textanordnung und – ja , das fiel mir am schwersten – um das Streichen von Überflüssigem. Im zweiten Studienjahr waren die Themenschwerpunkte aller Formen der Belletristik, von der Entwicklung einer Geschichte bis zum Romanschreiben. Im dritten Jahr wieder bei Frau Dr. Fanger, ging es um Sachliteratur, Recherche, Darstellungsformen des journalistischen Schreibens und schließlich Praxisratschläge.

 

Lehrplan, Aufgaben und Themenbereiche waren durch die Akademie vorgegeben. Ich schickte meine fertigen Arbeiten an Frau Dr. Fanger, später auch an andere Dozenten, und bekam Korrekturen, Anmerkungen, Verbesserungsvorschläge und Einschätzungen zurück. Bei Frau Dr. Fanger hatte ich – obwohl wir uns nie begegnet sind – das Gefühl, mit einem feinfühligen Menschen zusammenzuarbeiten. Ihrem scharfen Blick entging nicht die kleinste Ungenauigkeit. Sie beherrschte die Gratwanderung, Kritik zu üben, ohne jemandem die Motivation zu nehmen. Im Gegenteil, ihre Bemühungen und Korrekturen empfand ich äußerst hilfreich. Ich lernte , ebenso akribisch jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Ich erkannte mit einem einzigen nicht ganz so gemeinten Wort könnte etwas ganz anderes in Bewegung gesetzt werden, als es die Absicht des Autors war. Mit einer kleinen Ungenauigkeit kann ein komplett anderes Bild entstehen. Durch die Ernsthaftigkeit und Herzlichkeit, mit der Frau Dr. Erna Fanger unterrichtet hat, habe ich die Sicherheit gewonnen, mit dem Studium auf dem richtigen Weg zu sein.  

Kreativ-Literarisches, Professionelles Schreiben

Wir praktizieren: Kreatives Schreiben - Literarisches Schreiben – Schreiben für Sachmedien - Kreativitätstraining für Autoren auf Fernschulbasis und professionellem Niveau.

NEU: Themenzentriertes Schreiben ist auf den Weg gebracht, ab sofort zu buchen: Schreiben nach einem Thema Ihrer Wahl, wie in unseren Gruppen und Seminaren erprobt, mit Inspirationen, die jeden zum Schreiben verlocken.

 

Im Zuge unserer langjährigen  Erfahrung stellte sich heraus, dass sich Themenzentriertes Scheiben in unseren Seminaren und Schreibgruppen besonderer Beliebtheit erfreut hat.  Überdies hat es sich als effizientes Kreativitätstraining erwiesen – geradezu Garant, zu originellen Texten zu gelangen. Mehr siehe Angebot

erfs Schreibimpuls zum Sonntag

25. März 2018

 

... heute für alle, die damit hadern, dass uns die Umstellung auf die Sommerzeit eine ganze Stunde kostet:

 

Vermisstenanzeige

Eine Stunde ist verschwunden. Wir können suchen, solange wir wollen, sie scheint unwiderruflich verloren. Aber es gibt für alles eine Lösung, sagt der Hüter der Zeit. Das eröffnet neue Perspektiven. Solchermaßen ermutigt, machen wir uns also auf den Weg, entschlossen, der verschwundenen Stunde auf Spur zu kommen. Sie kann sich schließlich nicht in Luft aufgelöst haben. Irgendwo muss sie stecken ... 

Schreibe hier weiter, lass deine Fantasie spielen, nimm es nicht schwer, nimm es leicht, so leicht wie ein Zaunkönig, tu es poetisch, sei ein bisschen verrückt und genieße dabei die laue Frühlingsluft!

Mein aktueller Schreibimpuls Vorfrühling

Kaum war mit dem 6. Januar, dem Dreikönigstag, die Weihnachtszeit vorbei, der Tannenbaum entsorgt, wurden wir mit ersten Vorboten des Frühlings überschüttet: Heere von Tulpen in protziger Farbpracht ergossen sich in jedem Supermarkt über die Konsumenten. Gefolgt im Februar, Richtung Valentinstag, von Primeln aller Farbnuancen und üppigen Blumengestecken. Zur gleichen Zeit die Wiederkehr der Narzissen, die uns einreden wollen, der Winter hätte nun wirklich bald ausgespielt, der Frühling, ja Ostern, stünde vor der Tür. Das bereits stapelweise feil gebotene Osterkonfekt tut das Übrige, auch wenn es noch eine ganze Weile hin und ja eigentlich noch Winter ist. Aber nichts kann darüber hinwegtäuschen: Die Tage, sie werden wieder heller, spürbar. Wie haben Lust und wissen manchmal nicht worauf. Irgendetwas Neues anzufangen. Raus aus dem Trott. Lust auf Veränderung. Das müssen nicht die großen Umwälzungen sein. Oft reicht es schon aus, endlich einmal zu tun, was man schon lange tun wollte, wozu einem bislang der Elan gefehlt hat. Und obwohl es noch kalt ist, spüren wir dieses Kribbeln, diesen Drang, Unbekanntes zu erkunden. Und draußen boomt er schon, der Vorfrühling: es schnarrt, scharrt, piepst und blubbert und singt wie verrückt! Zeit rauszugehen

wieder Spaziergänge zu unternehmen und aufzuatmen, uns von dem allgegenwärtigen Wachsen und Sprießen mitreißen zu lassen, etwas auszuprobieren, übermütig zu werden.

       Hier bietet sich hier das experimentelle Schreiben an. Beispielhaft im Folgenden anhand eines kleinen Auszugs aus dem Hörspiel von Dylan Thomas „Unter dem Milchwald“ nachzuvollziehen:

Aus Dylan Thomas: „Under Milk Wood“ (1954; dt.  „Unter dem Milchwald“, 1954), Hörspiel:

 

„ERSTE STIMME: (...) Früh­lings­wiehern und Morgenmuhen von den holzschuhtanzenden Farmen, das Möwenkreischen und Ge­krächze auf dem booteschaukelnden Fluß und Meer, und die Kräuselmuscheln wie Blasen im Sand, das Strandläuferstelzen, Schnepfenschreien, Krähenkrächzen, Taubengurren, Glockenschal­len, Stierbrüllen, und das schnickschnackende Klatschen der Bärenzwingerschule, und die Frauen, die scharren und gackeln in Mrs. Orgel‑Morgans Kramladen, der alles führt, Vanillesoße, Eimer, Hen­na, Rattenfallen, Garnelennetze, Zucker, Briefmarken, Konfetti, Petroleum, Äxte, Pfeifen (...).

Draußen strömt die Sonne nieder auf die holterdiepolternde Stadt. Sie läuft durch die Hecken der Sta­chel­beergasse und stößt die Vögel, daß sie singen. Der Frühling schwingt seine grüne Peitsche in der Muschelzelle, daß die Muscheln erklingen. An diesem Prachtstück von Morgen ist Llareggub ei­ne warme, wilde Frucht. Die Straßen, Felder, Watten und Wasser lenzen und glänzen in der jungen Son­ne (...)

ZWEITE STIMME. Der Frühling schäumt an diesem kräftigen Morgen als gewaltige Flamme im Eingeweide von Jack Black, der sich einen Schuh mit hohem Absatz für Mrs. Dai Brot Zwei, die Zigeunerin, vorgenom­men hat. Aber Jack Black treibt ihn unerbittlich mit seinem Hammer aus (...)“

Bevor wir jetzt jedoch selbst zur Feder greifen, hier noch einmal das Verfahren des Freewriting – identisch mit écriture automatique – in seiner Autobiografie „Der Magier in uns“ (Goldmann TB, München 2016) aus der Sicht des Magiers Thimon von Berlepsch erläutert, um uns das Potenzial dieser eher intuitiven Methode, richtig angewandt, sprich ohne nachzudenken drauf loszuschreiben, zu vergegenwärtigen:

„Tatsächlich kann man Intuition üben. Ich bin im Laufe meines Lebens auf Menschen gestoßen, die das auf ganz unterschiedliche Art und Weise tun, vom Intuitiven Bogenschießen bis zur écriture automatique, dem sogenannten automatischen Schreiben, bei dem Texte ohne Zensur des eigenen Bewusstseins verfasst werden. Wenn ein Impuls eine Idee gebiert, dürfen wir nicht darüber nachdenken. Das Geheimnis liegt im ‚Machen’. Später können Sie immer noch überprüfen, was es gebracht hat. Wir dürfen keinesfalls schon vorher urteilen, auch wenn die Idee verrückt erscheint. Was kann schon passieren? Stellen Sie sich diese Frage ernsthaft. Wenn das Schlimmste, was geschehen kann, nicht wirklich schlimm ist, können Sie die Sache getrost angehen.“

Mein aktueller Sachbuchtipp:

© Erna R. Fanger  schreibfertig.com 

Alle Wege sind offen,

und was gefunden wird, ist unbekannt.

Es ist ein Wagnis,

ein heiliges Abenteuer.

Pablo Picasso

 

Plädoyer für die Chancen in einer sich wandelnden Welt                                                                                     

Ranga Yogeshwar: „Nächste Ausfahrt Zukunft. Geschichten aus einer Welt im Wandel“Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017

Was zum Leidwesen der Bürger bislang in der Politik eher am Rande behandelt, dafür umso mehr als latente Bedrohung wahrgenommen wird, die Angst macht, fächert Yogeshwar hier im Detail auf: vom Umbruch im Zuge der digitalen Revolution, einhergehend mit der Vernichtung von Arbeitsplätzen, der Vernetzung immer größerer Datenmengen, Massenüberwachung und dem Schwinden der Privatsphäre, über die Konsequenzen des Internets im Bereich Medien und Bildung, bis zu dem Feld der Gentechnik und Ernährung, Gesundheitswesen, Energiewende, Industrie. Exemplarisch hier die Autoindustrie, deren Krise sich bereits abzuzeichnen beginnt und sich im Zuge von zunehmendem Car-Sharing und Umweltbewusstsein verschärfen könnte. All dies unter den Vorzeichen der so stetigen wie stetig sich beschleunigenden Fortentwicklung und Ausdifferenzierung autonomer Maschinen und intelligenter Algorithmen, die unumgänglich ethisch-moralische, aber auch juristische Belange neu zu definieren erfordern, überdies eine erschreckende Eigendynamik entfalten, wo der Mensch Gefahr läuft, seine Autonomie einzubüßen. Zugleich sprechen wir hier von Innovationen, die sich im Zuge des Endes der Kausalität zugunsten von Korrelation wechselseitig beeinflussen, was das rasante Tempo, in dem sich die Prozesse im 21. Jahrhundert vollziehen, zusätzlich steigert und damit einhergehend die Gefahr, sie nicht mehr steuern zu können. Doch während mancher, der sich mit dem Thema dieses rasanten, in sich komplexen Wandels auseinandersetzt, uns mit ausweglos anmutenden Schreckensszenarien konfrontiert, gelingt es Yogeshwar hier, uns die Risiken, aber auch – und das ist das Verdienst seines Buches – vor allem die Chancen, die er in sich birgt, nahezubringen. Und zwar unaufgeregt, besonnen, mit leichter Feder und im Plauderton, versteht er es doch, seine so breit gefächerten wie fundierten Kenntnisse so in „Geschichten“ zu packen, dass die darin transportierten komplexen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Zusammenhänge auch für den interessierten Laien leicht zugänglich, ja durchaus von Unterhaltungswert, da spannend geschrieben, sind.

Yogeshwar, als Naturwissenschaftler und Physiker begnadetes Ausnahmetalent, stellt dabei Wissenschaft grundlegend zugleich auch infrage, erachtet er doch das Geheimnis des Lebens als größer als rationale Erkenntnis. Viele der hier geschilderten Szenarien hat er hautnah miterlebt. So war er etwa mehrmals zu Forschungszwecken und Dreharbeiten in Tschernobyl, ebenso wie er Fukushima besucht hat, dort Zeuge der dramatischen Versuche wurde, die allumfassenden Schäden einzudämmen, Normalität und Alltag wieder in Gang zu bringen. Beide Brennpunkte im wahrsten Sinne des Wortes haben ihm einmal mehr Atomkraft als Irrweg bestätigt. Ebenso wie sich in seinen Augen die Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche als Irrweg ausnimmt. So etwa im Gesundheitsbereich oder in der Kultur. Was dort geleistet wird, lässt sich nicht in kommerziellem Nutzen bemessen. Vielmehr bedürfen diese Bereiche der besonderen Unterstützung aller Mitglieder der Gesellschaft.

Yogeshwar verweist auf die ungleiche globale Verteilung des Reichtums ebenso wie auf die Wurzeln besagten Übels, die unschwer in der Rolle Europas und der USA auszumachen sind, die im Zuge des Kolonialismus Jahrhunderte lang indigene Völker „massakrierten“, versklavten und sich deren Rohstoffe bemächtigten, Letzteres bis heute, etwa im Kongo. An dieser Stelle darf auch die weltweite Produktion von Gütern in Billiglohnländern nicht unerwähnt bleiben. Und all dies im Gestus der Überlegenheit der weißen Rasse, was gleichwohl bis heute fortwirkt und nicht zuletzt in der Flüchtlingspolitik seinen Niederschlag findet. So entlarvt er etwa, ist wie so oft von „Nordafrikanern“ die Rede, die Anonymisierung im Zuge solcher Reduktion auf die ethnische Zugehörigkeit als „Merkmal kolonialen Denkens“. Doch auch wenn Yogeshwar immer wieder den Finger in die Wunde legt, soll dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Weltlage verifizierter statistischer Daten zufolge nicht, wie es den Anschein hat, immer katastrophaler würde, sondern das Leben insgesamt für alle Menschen auf dem Globus in den letzten circa 30 Jahren zunehmend besser geworden ist, überzeugend dokumentiert auf der Internetseite „Our World in Data“. Allein die Veränderung der Rolle der Frau etwa, Stärkung ihrer Rechte und weltweit zunehmende Sensibilisierung für Gewalt gegen Frauen belegen dies. Aber auch die soziale und rechtliche Anerkennung von Transsexualität, der Schwulen und Lesben, jüngst gipfelnd im Ja zur Homoehe im Bundestag.

Die auf uns zukommenden Veränderungen mögen gravierend sein, und sie betreffen alle, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Die Ausführungen Yogeshwars hierzu sind zugleich als Kompass lesbar, zeigt er doch die sich andeutenden Richtungen facettenreich auf. Unmissverständlich weisen sie auf bislang unbekanntes Terrain. Es liegt an uns, eben dies zu erkunden und mutig neue Wege zu erschließen, dabei die Chancen für ein gerechteres, menschlicheres Miteinander für alle aufzuspüren und zu nutzen.

 

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Verlag Kiepenheuer und Witsch!

Weihnachtszeit 2017 

Weihnachtszeit: Fragile Freuden

oder Das Vergnügen, aus zerbrochenen Träumen wertvolles Neues zu schaffen

 

Dieses Jahr hat uns der Andere-Zeiten-Adventskalender“ mit dem in Japan beheimateten Brauch des „Kintsugi“ vertraut gemacht, deutsch: „Goldreparatur“. Kintsugi bedeutet, bei einer wertvollen Schale oder Tasse, sollte sie zerbrechen, die einzelnen Scherben an den Bruchstellen mit einer Art Goldlegierung (in feinstes Goldpulver getauchter Urushi-Lack) wieder zusammenzufügen, sodass sie hinterher in ihren sichtbaren Brüchen zugleich einen besonders ästhetischen Dekorationswert darstellt.

Leicht lassen sich hier Analogien zu existenziellen Belangen ausmachen. Besteht menschliche Existenz doch grundlegend darin, dass wir immer wieder Altes hinter uns lassen müssen. Etwas, das bislang Gültigkeit hatte, erweist sich als brüchig, wir sind angehalten, uns neu zu orientieren. Keine Kunstform, kein schöpferischer Prozess, in dem eben dies nicht zum Tragen käme. Es macht uns aus als Menschen, dass wir nicht stehen bleiben, sondern uns stetig fortentwickeln. Und es ist uns dabei wahrlich nicht immer behaglich zumute. Lieber halten wir am Vertrauten fest. Und freiwillig geben wir Bewährtes in der Regel nicht preis. Und das ist ganz natürlich. Umso heftiger reagieren wir, wenn die Umstände uns zwingen, Gewohntes hinter uns zu lassen. Und schnell passiert es dann, dass wir in eine Krise geraten und vor den Scherben eines vermeintlichen Glücks stehen. Das Leben zwingt uns, uns umzuorientieren, damit wir uns – jetzt auf anderer Ebene – neu einbringen können. Da gilt es, Kräfte zu mobilisieren, und im Nu kann es geschehen, dass wir Hürden nehmen, von denen wir nicht zu träumen gewagt hätten.

Und selbst wenn sich dies erst gegen  Ende eines langen Weges abzeichnen mag, können wir doch mit Fug und Recht von uns behaupten, es sind diese Brüche, die uns letzten Endes zu dem gemacht haben, die oder der wir heute sind, wodurch wir Schritt für Schritt unser Potenzial sozusagen ‚zutage zu fördern’ berufen waren. Und wir dürfen diese unsere so ‚gehobenen’, ureigenen Talente und Fähigkeiten in der Tat als einen Schatz erachten, in all seinen Brüchen, ganz im Sinne besagten Kintsugi, der Goldreparatur.

Die Kunst des Lebens mag vielleicht darin bestehen, einerseits besagte Bruchstellen nicht zu beschönigen, sie aber auch nicht in ihren Möglichkeiten zu unterschätzen. Vielmehr könnte es darum gehen, sie nicht nur in unser Leben zu integrieren, sondern, darüber hinaus, aus eben diesen Bruchstellen ‚Kapital zu schlagen’, sie als den Impuls anzuerkennen, der uns hilft, wertvolles Potenzial aus uns selbst heraus zu erschließen, uns dafür Wertschätzung zukommen zu lassen. Nicht umsonst handelt das Thema im bunten Reigen der Ratgeberliteratur, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau, immer wieder von der Kunst, uns selbst zu lieben.

Und nicht von ungefähr sprechen wir von Weihnachten als dem Fest der Liebe. Jetzt, wo zum Jahresende noch einmal auf den Prüfstand kommt, was uns die letzten zwölf Monate umgetrieben hat, und wo mit der Geburt des Kindes einmal mehr Altes hinter uns gelassen und Neues gefeiert werden soll. Das Zentrum des Weihnachtsfests, dem Jahresausklang, ist immer wieder die Liebe, an der wir stetig scheitern und die wir nicht aufhören können, wieder neu entwerfen, und wo gerade die brüchigen Spuren den Wert wesentlich mitbestimmen.

 

In diesem Sinne

Frohe Weihnachten!

© Erna R. Fanger

 

 www.schreibfertig.com  

Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit,

Und neues Leben blüht aus den Ruinen.

Aus Friedrich Schiller: Wilhelm Tell 4. Akt, 2 Szene.

 

Kompass, statt Karte!

Orientierung in Zeiten radikalen Wandels

 

„Kompass, statt Karte!“ markiert treffend, was uns als Bürgergesellschaft Orientierung in Zeiten eines so noch nie dagewesenen Wandels gewährt: nämlich zwar die Richtung, in die es gehen soll, vor Augen zu haben, nicht jedoch zu meinen, dass die Wege dorthin bereits bestünden. Dazu sind die Herausforderungen zu groß, zu komplex. „Der Weg entsteht beim Gehen“ bewährt sich einmal mehr bei dem Unterfangen, Innovationen zu befördern. Dies kann nicht gelingen, indem wir auf bislang Bewährtes zurückgreifen, wie in vielen politischen Debatten zu beobachten. So etwa gebetsmühlenartig den Mythos von der Vollbeschäftigung hochzuhalten, wo doch jeder weiß, dass wir mit zunehmender Automatisierung der Arbeitswelt auf das Gegenteil zusteuern. Wohin soll die Reise gehen von der Arbeitsgesellschaft seit der Industrialisierung mit ihren Anfängen im 18. Jahrhundert, wo die Welt noch „leer“, sprich von wenigen Menschen bevölkert war. Letzteres etwa ist nachzulesen im jüngst erschienenen Bericht des Club of Rome von Ernst Ulrich von Weizsäcker, Anders Wijkman u.a.: "Wir sind dran. Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen.“ Die explosionsartige Vermehrung der Weltbevölkerung habe sich erst in den letzten 50 Jahren herauskristallisiert. Heute lebten wir hingegen in einer „vollen“ Welt, die gänzlich andere Rahmenbedingungen benötigte.

      Der Journalist und Spiegel-Kolumnist Georg Diez wiederum hat in Harald Welzers Online-Plattform FUTURZWEI mit „Die Macht der Beharrung“ einen bemerkenswerten Beitrag vorgelegt. Ausgehend von den Fragen „Was ist die Gestalt des Neuen? Wie erkennt man es? Wie setzt es sich durch? Und warum ist beides so schwer, das Erkennen und das Durchsetzen?“, diskutiert er, welche Kräfte eine Gesellschaft nach vorne bringen und auf welche Hindernisse sie dabei stößt. Fängt man an darüber nachzudenken, wird – man erinnere sich an den hinter uns liegenden Wahlkampf – schnell klar, dass diese Fragen nicht im Zentrum etablierter Politik stehen. Vielmehr werden sie eher von einzelnen Publizisten oder sonstigen engagierten Mitgliedern der Zivilgesellschaft aufgeworfen, deren prominente Vertreter, wie etwa Richard David Precht, Harald Welzer oder Raga Yogeshwar, um nur einige zu nennen, sie dann, abgesehen von ihren Schriften, in diversen Talk-Shows zum Besten geben. Und das nicht selten zu fortgeschrittener Stunde.

     Georg Diez sieht eben darin ‚den zentralen Konflikt’: „die Macht der Beharrung gegen die Notwendigkeit der Veränderungen“. Die daraus resultierenden Kräfte laut Diez, Aufbruchseuphorie auf der einen Seite, Angst vor der Ungewissheit andererseits, führten zu gewaltigen Spannungen, zu einer Art ‚tektonischer Verschiebung’, „bei der verschiedene Zeitplatten aneinander reiben, sich ineinander verkeilen und verkanten ...“ Dies sind Kräfte, die Naturkatastrophen – Erdrutsche, Erdbeben, schlimmstenfalls einen Tsunami – bedingen. Im globalen Zusammenleben stehen dafür

Flüchtlingskrise und Migration auf der einen Seite, Gewaltexzesse des IS, 

aber auch die Exzesse struktureller Gewalt, wie sie seitens multinationaler Konzerne immer mehr ans Licht kommen. Auf Kosten der Mehrheit, etwa durch Steuerhinterziehung im großen Stil, vor allem aber auf Kosten der ärmsten Länder, die nicht nur nachweislich von den Naturkatastrophen weitaus stärker betroffen sind als die westlichen Industrienationen, sondern deren Rohstoffe, etwa im Kongo, ohne Rücksicht auf die Belange der Bevölkerung und in Kooperation mit korrupten Regierungen skrupellos geplündert werden.

     „Die Menschen“, wie es nicht selten seitens manchem Politiker heißt im Tenor, als ginge es um eine sehr entfernte Spezies, ein Großteil der Bürger also, reagiert verunsichert. Besonders im Mittelstand geht die Angst vor dem sozialen Abstieg um. Wer soll für die Renten aufkommen. Die Angst vor Altersarmut und Pflegenotstand, nicht zuletzt vor Einsamkeit in alternden Gesellschaften, kommt hinzu. Viele verschließen angesichts der Vielzahl der Herausforderungen die Augen. Deutlich sei dies bei der plötzlichen Ankunft der vielen Geflüchteten 2015 geworden. Eine Gelegenheit, sich dem Neuen zu öffnen, die zahllose Bürger zwar mit Empathie und Tatkraft ergriffen haben, um dabei zugleich jedoch auch die Erfahrung zu machen: „Die Kräfte des Alten arbeiten mit allen Mitteln daran, das zu verhindern.“

      Mut zur Veränderung also, die, wie von Ranga Yogeshwar in dem soeben erschienenen Buch „Nächste Ausfahrt Zukunft. Geschichten aus einer Welt im Wandel“ eindrucksvoll belegt, ebenso die Chance birgt, ein erfüllteres Leben für alle zu erschaffen. Ein erfüllteres Leben, als es zum Beispiel die Arbeitsgesellschaft gewährt hat, wo es in der Regel nur dem Privilegierten vorbehalten bleibt, sein Potenzial in Gänze zur Entfaltung zu bringen.

     Schritt für Schritt will der Geist des Neuen errungen werden. Ohne Land- oder Straßenkarte, dafür mit Kompass im Gepäck. Veränderung ist möglich! 

 

© Erna R. Fanger

 www.schreibfertig.com    

 

 

 

 

 

 

erf's aktueller Sachbuchtipp 

© Erna R. Fanger

 www.schreibfertig.com

  

Als ob Wählen, als ob Entscheiden, als ob Nein-Sagen einfach Fähigkeiten wären, die man lernen könnte wie Schnürsenkelbinden oder Fahrradfahren. Die Dinge stießen einem zu. Wenn man Glück hatte,bekam man eine Schulbildung. Wenn man Glück hatte, wurde man nicht von dem Typen missbraucht, der das Fußballteam leitete. Wenn man sehr viel Glück hatte, gelangte man irgendwann an einen Punkt, an dem man sagen konnte: Ich werde Buchhaltung studieren ... Ich würde gerne auf dem Land wohnen ... Ich möchte den Rest meines Lebens mit dir verbringen. Aus Mark Haddon: „The Gun“

 

Zwischen Autonomie und Ambivalenz: Ringen um die Freiheit

                                                                                                                                                                                                                                             

Beate Rössler: „Autonomie. Ein Versuch über das gelungene Leben“, Suhrkamp Verlag Berlin 2017.

Seit Kant Grundthema der Philosophie und in westlichen Gesellschaften normativ, scheint der Begriff der Autonomie längst seinen festen Stellenwert behauptet zu haben und eine grundlegende Größe darzustellen. Bei näherer Betrachtung erweist sich allerdings, so klar umrissen, wie es scheint, manifestiert er sich in der Lebenspraxis des Einzelnen nicht. Sprich es gibt eine Menge Aspekte, die der Autonomie im Alltag entgegenstehen. So sind nicht selten überhöhte Ansprüche mit dem Begriff verbunden, die keiner in Gänze erfüllen kann. Sind wir doch als Gemeinschaftswesen miteinander verbunden, woraus sich zwangsläufig wechselseitige Abhängigkeiten konstituieren.

Die Spannung zwischen dem Selbstverständnis eines autonom ausgerichteten, selbstgestalteten Lebens und den Hindernissen, die dabei zutage treten können, lotet Beate Rössler, Professorin für Philosophie an der Universität Amsterdam, in neun Kapiteln von jeweils vier bis sechs Unterkapiteln auf 400 Seiten so kenntnis- wie facettenreich und differenziert aus. Im Zuge dessen gelingt ihr das Kunststück, die Stringenz ihres fundiert wissenschaftlichen Diskurses durch zahlreiche literarische Beispiele, in denen die Figuren mit mehr oder weniger Erfolg um Autonomie ringen, so nahezubringe, dass auch dem interessierten Laien ein lebendiger Zugang zu der Auseinandersetzung mit dem Thema und entsprechend Einblick gewährt wird. Auch wenn – es sei an dieser Stelle nicht unterschlagen – die philosophischen Debatten über Autonomie, an denen sich Rössler hier abarbeitet, nicht unbedingt für jedermann zugängig sind, sondern immer wieder geduldiger Nacharbeit bedürfen, ist man nicht bereit, bisweilen darüber hinwegzulesen.  

Dessen ungeachtet gewinnen wir Einsicht von der Definition des Begriffs bis zum Zusammenhang zwischen Autonomie und der Frage nach dem Sinn des Lebens. Von der Überlegung, wie sich Autonomie zwischen Selbsterkenntnis und Selbsttäuschung etablieren kann, oder wie sie etwa in der Selbstthematisierung vom Tagebuch bis zum Blog in Erscheinung tritt. Zugleich, inwieweit Autonomie im Hinblick auf die von der Furie des Verschwindens bedrohte Privatsphäre im virtuellen Raum nicht Gefahr läuft,  sich selbst zu verleugnen. Ebenso geht Rössler der Frage nach, ob die Autonomie als Wahl zwingend das gute Leben nach sich ziehe, stellt dabei aber auch zugleich die Bedingungen einer solchen autonomen Wahl infrage. Und wie verhält es sich mit der  Autonomie im privaten, häuslichen Bereich, in Beziehungen. Wie in der demokratischen Gesellschaft. Aber auch die sozialen Bedingungen von Autonomie werden durchbuchstabiert, wie z. B. Grenzfälle zwischen Autonomie und Unterdrückung. So etwa im religiösen Kontext einer Muslima, die sich frei dafür entscheidet, ihren Glauben zu leben, auch wenn sie dafür – aus Perspektive der Vertreter westlich-demokratisch geprägter Gesellschaften – Autonomie einbüßt und sich dem Dogma der Vollverschleierung  ebenso beugt wie dem des Gehorsams gegenüber ihrem Mann. Allein schon anhand dieses Beispiels wird deutlich, inwieweit der Begriff der Autonomie nicht zuletzt im Hinblick auf kulturelle, soziale und politische Voraussetzungen relativiert und differenziert werden muss.

Das Verdienst von Rösslers Autonomie-Konzeption ist ihre Distanz zu radikalen Konzepten, die allenfalls Theorien, nicht aber dem Alltag standhalten. Demnach läuft sie auch nicht Gefahr, die Bedingungen für Autonomie festzuschreiben. Vielmehr entwirft sie Autonomie als Prozess, in dem eigenständige Entscheidungen sowohl möglich sind, als man dabei zugleich jedoch auch Abstriche machen muss, um die eigene Position zu ringen hat. Im Gegensatz zu radikalen Entweder-oder-Positionen, in denen den Bedingungen von Autonomie weniger Rechnung getragen wird. Rössler gelangt schließlich zu dem Fazit, ‚alle grundsätzlichen Angriffe auf die Möglichkeit und Wirklichkeit von Autonomie zwar aus dem Weg geräumt zu haben’, ohne jedoch vor den mit dem Thema verbundenen Spannungen und Widerständen zurückgewichen zu sein. Des Weiteren räumt sie ein, dass unser normatives Verständnis des Begriffs nie unter durchgängig idealen Bedingungen realisiert werden, sprich immer nur annähernd erfüllt werden kann, dementsprechend nicht ohne Relativierung auskommt. Personen können immer nur bedingt, mehr oder weniger autonom handeln, stets abhängig vom sozialen, politischen oder biografischen Kontext. Damit grenzt sie sich bewusst ab von radikaleren Positionen, wie etwa von Harry Frankfurt vertreten. Sieht sie Autonomie doch immer schon situiert im gesellschaftlichen Kontext, worin die Verletzlichkeit der Akteure bedingt ist. Weshalb sie auch in Zweifel stellt, inwieweit einer Person Autonomie abzusprechen sei. Desgleichen postuliert sie einen Zusammenhang zwischen einem autonomen und einem sinnvollen Leben. Von einem sinnvollen Leben kann man nach Rösslers Definition nur dann sprechen, wenn wir es als unser eigenes Leben betrachten, das wir nach Maßgabe unseres Erkenntnis- und Bewusstseinsstands gewählt haben. Ein Leben, für das wir einzustehen bereit sind. Im Zweifelsfall entgegen allen Widrigkeiten, die unseren Alltag prägen, wie Ambivalenz, Entfremdung, Zerrissenheit. Rössler exemplifiziert dies anhand Siri Huvstedts Protagonistin Harriet Burden in „Die gleißende Welt“ (2015), wo die Unvereinbarkeit von Wünschen und Möglichkeiten durchgespielt wird. Dies erfordert laut Rössler einen gelassenen Umgang mit den Ambivalenzen, die unser Leben prägen, was uns nicht selten abverlangt, verschiedene Identitäten einzunehmen und zu leben. Mehr noch bedinge dies Autonomie geradezu grundlegend. Widersprüche dieser Art schmälern nicht grundsätzlich Autonomie, sondern konstituieren sie vielmehr insofern, als Autonomie durchaus keine Garantie darstellt, diese ohne jede Einschränkung leben zu können, sondern immer nur gemeinsam mit anderen.

Unser herzlicher Dank für ein Rezensionsexemplar gilt dem Suhrkamp Verlag! 

 

nichts leichter

 

vereinzelt noch tönen

ahorn, buche und birke

ihr rot, gelb und gold

schwebend zwischen

himmel und traum

verwischen die farben

nichts leichter als

 

sterben

Sommerende 

Während wir

geträumt haben

unter dem Brückenbogen

von Sonnenstrudeln 

und Lichtsalven#

wird Tee gereicht 

unter gestreiften Markisen

wo die Zeit unter dem 

Gewicht des Tages 

zum Erliegen kommt

und die Schwingen

                                                    des Sommers verstummt sind 

                                                    verkehren Engel und

                                                    Schimären wispern

                                                    Bäumen ihr Geheimnis

                                                    spielen Schatten leuchten 

                                                    stromabwärts

                                                    im Blattwerk fließen 

                                                    Sterne am Himmel

                                                    erster Vogelzug 'gen Süden    erf

 

 

Dezember wieder

ein Jahr das geht

an dunklen Nachmittagen

durch lichte Straßen

flanieren wir bange

Fragen versiegen

bei einer Tasse Tee

Stollen auch dabei

feiern wir das tolle Leben

Dezember wieder                                                                              

                                erf

 

                              

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