Interview

Dr. Erna R. Fanger „Im Gespräch“ mit Astrid Seehaus, Verlegerin des Undine-Verlages in „Das Eichsfeld – Magazin“ „Das Eichsfeld liest“, Herbst & Winter 2018: 

 

Dr. Erna R. Fanger ist zusammen mit ihrem Mann Betreiberin der Fernschule „schreibfertig“ und lehrt das kreativ-literarische Schreiben. Neben formal-handwerklichen Aspekten ist ihr das Coaching eine Herzensangelegenheit. Sie meint, eigenes Talent und damit Begeisterung fürs Schreiben sollte wichtig genommen werden. Ich freue mich, dass Frau Dr. Fanger, die mit ihrer Familie in Hamburg lebt, neben ihren vielen Schreibgruppen und Projekten rund ums Buch Zeit für dieses Interview gefunden hat. 

 

Astrid Seehaus: Was macht Fernkurse so beliebt?

Dr. Erna R. Fanger: Ihre Ortsunabhängigkeit und die Möglichkeit der freien Zeiteinteilung. Und für uns wiederum von Vorteil ist, dass wir keine Unterrichtsräume anmieten müssen. Alles geht per Internet und von Zuhause aus. 

Seehaus: Welche Altersgruppe interessiert sich für Fernkurs? Und was möchte diese lernen?

Fanger:Wir bieten Kurse für alle Altersgruppen an, aber es sind eher die Älteren, die unsere Angebote wahrnehmen. Manche möchten sich stilistisch verbessern, andere ein Buch schreiben. Etliche streben eine journalistische Ausbildung an. Für alle unsere Kurse gibt es bei entsprechenden Voraussetzungen eine finanzielle Unterstützung in Form einer Bildungsprämie vom Staat.

Seehaus: Sie wenden sich auch an die jungen Schreiber. Provokante Frage: Hat das überhaupt Sinn, wenn die Kids doch alle in Kürzeln schreiben?

Fanger: Meine Erfahrung mit Jugendlichen ist eine andere. Vom LI Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg, BBB Beratungsstelle Begabungen initiiert gebe ich Schreibkurse für Kinder und Jugendliche. Deren Begeisterung ist so groß, dass das Smartphone keine Rolle spielt. Auffallend ist, dass in den Texten nicht selten Hektik, Hetze und Stress beklagt werden, unser Fernkurs-Angebot für Jugendliche wird angesichts der schulischen Anforderungen allerdings kaum wahrgenommen.

Seehaus: Was würden Sie einer erfahrenen Autorin raten?

Fanger: Sich von Zeit zu Zeit mal auszuklinken, in sich zu gehen, sich selbst zu befragen, wohin es mit dem Schreiben gehen soll.

Seehaus: Wie kann ein selbstverliebter Selfpublisher eigene Fehler erkennen? 

Fanger: Zum einen ist ein professionelles Lektorat sinnvoll, wo stilistische Unebenheiten aufs Korn genommen werden. Zum anderen sind es kritische Testleser im Umfeld. Diese beiden Komponenten sind meines Erachtens der wirksamste Schutz gegen narzisstische Anwandlungen, nicht nur von Selfpublishern. 

Seehaus: Und wie schafft man es, wenn man es mit uneinsichtigen Schülern zu tun hat?

Fanger: Kommt so gut wie nicht vor. Unsere Schüler wollen ja dazulernen.

 Wortwahl oder Schreibstil? Brauchen wir die Schriftsprache?

Fanger: Ja, unbedingt. Schreiben ist eine Kulturtechnik, die wir nicht leichtfertig über Bord werfen sollten, darüber hinaus ein profundes Ausdrucksmittel, frei nach dem Motto: Du bist wie du sprichst. Die Sprache macht den Menschen. Da steckt „Macht“ drin. Und wer sprachlich fit ist, sich ausdrücken kann, verfügt über eine gewisse Macht, im Gegensatz zu demjenigen, dem das nicht zu eigen ist. Nicht umsonst heißt es in der Bibel „Im Anfang war das Wort“. Und das nicht nur zum Segen. Der Ursprung der Sprache ist zugleich Ursprung der Ursprung von Streit und Krieg. Und was Shit-Storms im Internet angeht: Mich schaudert’s.   

Seehaus:Was sagen Sie zum Hin- und Her der neuen deutschen Rechtschreibregelung?

Fanger:Fatal! Leid tun mir die Kinder, die in dieses Chaos hineingewachsen sind. Sprache unterliegt wie alles der Veränderung, das ist keine Frage. Aber mit einer Rechtschreibreform über die ihr immanenten Entwicklungsprozesse hinwegzugehen, halte ich schlichtweg für falsch. 

Seehaus:Letzte Frage: Lesen sie viel? Und wie finden Sie das Lektorat/Korrektorat in den neuen Büchern? 

Fanger:Lesen gehört unabdingbar zum Schreiben, dementsprechend eine meiner Hauptbeschäftigungen. Hut ab, wenn ein Buch fehlerfrei ist. Ich habe höchsten Respekt vor dem Korrektorat. Die Schwierigkeit dabei ist, dass Sie gegen Ihre eigene Fertigkeit anlesen müssen, dass das Auge Fehler in Sekundenschnelle sieht und der Kopf sie korrigiert, aber dann vergessen Sie leider, diese Fehler auch im Text zu verbessern. Von Verlagen weiß man: Keine Erstauflage ohne Fehler. Mein Eindruck ist aber, dass es in den 90ern und Anfang des neuen Jahrtausends schon mal schlechter war. Man hat aus der Kritik am mangelnden oder unzulänglichen Lektorat gelernt. Derzeit arbeiten wir mit etlichen renommierten Verlagen zusammen, die uns ihre Rezensionsexemplare  für die Buchtipps auf der Startseite unseres Internetportals zur Verfügung stellen. Und da ist die ordnende Hand des Lektorats durchaus spürbar. Mein Eindruck ist, dass die Verlage sehr bemüht sind, dem „guten Buch“ gerecht zu werden.

Seehaus:Liebe Frau Dr. Fanger, vielen Dank für die Zeit, die Sie sich für das Interview genommen haben.

Fanger: Ich danke Ihnen für Ihr Interesse an unserer Arbeit.

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